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Wegbereiter mit Flair für Technik

Jan 25, 2022

45 Jahre PRONATEC. 25 Jahre Bio- und Fairtrade-Schokolade. Und Jahr 1 unserer neuen PRONATEC Kakaoverarbeitung. Inhaber und Geschäftsführer David Yersin spricht über den Mut zum Risiko und die Freude am Unbekannten. Und über die Energie, für das einzustehen, woran man glaubt.

PRONATEC im Jahr 1976. Am Anfang stand der Vollrohrzucker, nicht wahr?
So ist es. Ich sehe noch lebhaft vor mir, wie wir eigenhändig die 10kg-Vollrohrzuckersäcke für die Schweizer Reformhäuser abfüllten. Mein Vater Albert Yersin und sein Partner Félix Béguin waren getrieben von der Idee eines gesunden, zahnschonenden Zuckers – SUCANAT. Als ich 1989 ins Unternehmen einstieg, traf ich im Büro der beiden ehemaligen Sulzer-Ingenieure auf viel kreatives Chaos, aber auch auf eine spannende Leitidee.

A. Yersin im Büro  Zuckersäcke abfüllen

Der Vollrohrzucker SUCANAT, den die beiden damals vertrieben, war sehr vollwertig, erwies sich aber für viele Lebensmittel als ungeeignet.
Genau. Wir brauchten ein Produkt mit Perspektive. SYRAMENA, unser heller Rohrzucker in Bio-Qualität, nahm zusammen mit der Bio-Bewegung der 80er- und 90er-Jahre an Fahrt auf. Doch die Skepsis war gross: Als die Bio-Suisse-Inspektorin von unseren Zuckerfeldern in Paraguay zurückkehrte, stiess ihr Bericht in der Schweiz auf Unglauben. Eine solch grosse Fläche mit reinem Bio-Zuckerlandbau – wer sollte das schon glauben? Es brauchte einiges an Überzeugungsarbeit.

Was folgte auf den Zucker?
1996 brachten wir die weltweit erste Bio- und Fairtrade-zertifizierte Schokolade auf den Markt – damals Chocanat, heute AMARRÚ. Die Branche lachte zunächst über meine Idee einer Bio-Schokolade ohne Sojalezithin. Doch unsere Rezeptur mit mehr Kakaobutter traf den Nerv der Zeit. Für die-Bio-Schokolade mussten wir einen Weg finden, um nebst Zucker auch andere Zutaten wie Kakao, Vanille und Mandeln in Bio-Qualität zu bekommen. Für die Beschaffung des Bio-Kakaos gründeten wir 1999 unsere Tochtergesellschaft YACAO in der Dominikanischen Republik.

Choconat_erste Schokolade von Pronatec  Amarru_organic_Swiss_chocolate

War die Qualität der Bio-Rohstoffe vor 30 Jahren vergleichbar mit heute?
Bei weitem nicht. Die heutige Qualität ist das Resultat zahlreicher Investitionen: beispielsweise in den Aufbau der technischen Infrastruktur der Zuckermühlen oder den Wissensaufbau rund um die Kakaofermentation.

Wann kamen die Gewürze ins Spiel?
In Madagaskar, von wo wir seit 2005 Bourbon-Vanille bei unserem Partner Premium Spices beziehen, wurden auch Nelken und Pfeffer in Bio-Qualität angebaut. Weitere Gewürze wie Zimt, Ingwer und Kurkuma kamen aufgrund von Kundenanfragen und guten Kontakten in unser Sortiment.

Was war dir in all den Jahren besonders wichtig?
An meine Sache zu glauben, auch wenn andere kritisch sind. Ich bin meiner Vision von Bio- und Fair-Trade-Rohstoffen treu geblieben, weil ich wirklich davon überzeugt bin – allen Skeptikern zum Trotz. Ich wusste, die Konsumenten werden mitziehen, das wird Zukunft haben. Das gab mir stets die Energie, weiterzumachen.

Worin gründet sich der Erfolg von PRONATEC?
Als kleines Unternehmen mussten wir immer kreativ und innovativ sein. So konnten wir viele Gelegenheiten nutzen und waren Wegbereiter für viele heutige Marktgrössen. Unser Ziel war es stets, Lösungen für die Probleme unserer Kunden zu finden. Damit schufen wir eine Vertrauensbasis, die über das reine Geschäft hinausgeht und auch in schwierigen Situationen tragend war.

Pionier und Wegbereiter: Mit der neuen PRONATEC Kakaoverarbeitung wagst du den Sprung ins kalte Wasser. Habt ihr diesen Mut in der Familie?
Diese Frage habe ich mir auch schon gestellt. Ich bin in einem internationalen Umfeld aufgewachsen, die ersten Jahre in Montreal, Kanada. Vielleicht war es diese Reiserei, das Internationale, aber auch ein gewisser Ehrgeiz und die Freude am Risiko. Ich möchte wissen, wie eine Geschichte ausgeht. Dazu muss ich sie erst schreiben.

Gab es auch Momente, wo es brenzlig wurde?
Ja – mehr als einmal. 1990, als wir unseren Vater in Madagaskar am Telefon hatten und dort gerade politische Unruhen herrschten. Er hatte sich im Hotel verschanzt und im Hintergrund hörten wir Maschinengewehrsalven. In diesem Moment hatte nicht nur meine Mutter wirklich Angst um ihn. Dann als ich, an Malaria erkrankt, auf einer madagassischen Insel im notdürftigen, elenden Krankenlager einer dort tätigen Missionsgemeinschaft landete und keinerlei Medikament für mich verfügbar war. Das fuhr ein. Und schliesslich vor sieben Jahren, als ich mit unserem Partner Jürg Brand auf Madagaskar unterwegs war. Wegen einem Militärputsch hatten sich Bewaffnete in unserem Kurkuma-Lager verschanzt, welches wir gerade einem Kunden zeigen wollten. Wir beschlossen, an diesem Tag das Lager nicht zu besuchen.

Wie kam es zur Idee einer eigenen Kakaoverarbeitung in der Schweiz?



Bei den Kakao-Halbfabrikaten begann ein Spiel, das ich schon von anderen Produkten kannte: Als innovative Wegbereiter hatten wir den Weg geebnet – nun war es eine Frage der Zeit, bis grössere Marktplayer den von uns erarbeiteten Markt übernehmen würden. Mit der Eröffnung einer eigenen Produktion möchte ich dieses Spiel durchbrechen. Wenn wir es nicht versuchen, wer macht es dann? Ich bin Unternehmer, nicht Verwalter. Ich möchte sehen, wie die Geschichte weitergeht. Und ganz ehrlich: Die geballte Ladung Technik der neuen Anlage macht mir einfach Freude!

Welche Herausforderungen siehst du in der nahen Zukunft?
Als Team sind wir herausgefordert, nebst unserem Grossprojekt Kakaoverarbeitung die anderen Produkte nicht aus dem Blick zu verlieren. Ein gut durchmischtes Angebot war auch in der Vergangenheit zentral für unser Gleichgewicht als Firma. Und natürlich habe ich bereits weitere Ideen im Köcher - mehr dazu aber ein andermal.

David im Interview  David im Interview mit TZ

Lieber David, vielen Dank für das persönliche Gespräch.

PS: Ein Überblick über die wichtigsten Meilensteine gibt der News-Eintrag zu PRONATEC 40 Jahre

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